22.04.2021
Buchrezension: Wir haben gute Gründe! Illustrierte Geschichten für Pflegekinder, ihre Pflegeeltern und Fachkräfte







Hardenberg, Oliver, Stotz, Imke, Rodriguez, Ana: Wir haben gute Gründe! Illustrierte Geschichten für Pflegekinder, ihre Pflegeeltern und Fachkräfte, Schulz – Kirchner Verlag GmbH, Idstein 2021

 


Dieses Buch entstand auf Initiative von Ina Müller, einer langjährigen Mitarbeiterin des Adoptions- und Pflegekinderdienstes im Jugendamt Hamm. Ich erinnere mich noch gut an eine Veröffentlichung in heilpaedagogik.de vor vielen Jahren. Hier suchte die Stadt Hamm Pflegeeltern für eine Reihe von Kindern mit besonders schwierigen Lebensgeschichten. Die Art der Vorstellung dieser Kinder ist mir als besonders einfühlsam und liebevoll in Erinnerung.

Genauso ist es auch mit der vorliegenden Publikation, deren Erscheinen durch die Stiftung zum Wohle des Pflegekindes gefördert und unterstützt wurde.
Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Nach einer Einführung zur Nutzung der zehn sehr eindeutig illustrierten Geschichten folgen diese, und betrachten typische Situationen, in denen traumatisierte Kinder durch ihr die Umgebung irritierendes Verhalten auf ihr inneres Erleben und ihre Verletzung aufmerksam machen.
Die Geschichten können entweder Pflegeeltern helfen eine annehmende, liebevolle Haltung in der Beziehung zum Pflegekind zu bewahren oder auch zur Selbstklärung in der gemeinsamen Lektüre mit Kindern, deren Biografiearbeit weit fortgeschritten ist, beitragen.
Dabei wird die Umsetzung des Konzeptes der Annahme eines guten Grundes für auffälliges Verhalten durchgehend angewendet. Die Illustrationen von Ana Rodriguez
unterstützen die Aussagen des Textes eindrucksvoll. Diese beleuchten anhand typischer Verhaltensweisen z. B. die Themen Regression, körperlicher Schmerz, Distanzlosigkeit, Angst vor dem Verlassenwerden, Bestrafung oder Sucht.

An die Geschichten schließt sich der sehr informative Fachteil von Oliver Hardenberg an. Dieser wendet sich sowohl an Pflegeeltern als auch an Professionelle.
Kompakt und auf das Wesentliche fokussiert erhalten die Leser Aussagen zu familiären Vorerfahrungen vieler Pflegekinder, zu Übertragungsprozessen und Projektionen.
Traumatische Erfahrungen fremd untergebrachter Kinder und Möglichkeiten zum heilsamen Umgang mit den daraus resultierenden Verhaltensauffälligkeiten werden gut verständlich erklärt und in den Kontext der Biografien von Pflegekindern gestellt.

Eine Reihe von typischen Situationen unterstreicht die Aussagen der Theorie.
Ein Überblick über Beratungskonzepte, Unterstützungsmöglichkeiten der Traumapädagogik und ein Exkurs zu Traditionen der individualpsychologischen und pädagogischen Sicht auf vernachlässigte und misshandelte Kinder rundet dieses anregende Buch ab. In die Bibliotheken von Jugendämtern und Erziehungsberatungsstellen gehört es in jedem Fall.

Sybille Lenk